Dieser Artikel erläutert die Inside-Out-Perspektive im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse und beschreibt, wie Unternehmen ihre Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Governance offenlegen können.
Im Gegensatz zur Outside-in Perspektive auf die wirtschaftlichen Risiken und Chancen konzentriert sich die Inside-Out-Analyse auf die sozialen und ökologischen Effekte des Unternehmens.
Durch die Bewertung dieser Aspekte können Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsstrategie gezielt ausrichten und ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dem Planeten wahrnehmen.
Neben konkreten Beispielen zeigen wir, wie diese Perspektive in den ESRS-Themengebieten angewendet wird.
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Begriffsklärung
Die Inside-Out-Perspektive bezieht sich auf den Ansatz, bei dem Unternehmen ihre eigenen Aktivitäten und deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt analysieren.
Wirtschaftliche Tätigkeiten – wie Produktion, Logistik, aber auch das Erbringen von Dienstleistungen – gehen typischerweise mit Auswirkungen auf Menschen und die Umwelt in irgendeiner Form einher. Das ist völlig normal. DIe Inside-Out Perspektive stellt sicher, dass diese Auswirkungen verstanden werden.
Der Begriff Wirkungsmaterialität ist synonym zu Inside-Out Perspektive zu verstehen.
Die Inside-Out-Perspektive untersucht die Auswirkungen des Unternehmens auf die Welt.
Die Outside-In-Perspektive bewertet die Auswirkungen der Welt auf das Unternehmen. Mehr Details zu dieser Perspektive finden Sie in unserem Artikel „Outside-In Perspektive auf Nachhaltigkeit„.
Beide Perspektiven zusammen bilden die sog. Doppelte Wesentlichkeit ab. Diese wird herangezogen, um Chancen, Risiken, sowie Nutz- oder Schadwirkung integral zu betrachten.
Der Kontext: Doppelte Materialitäts- bzw. Wesentlichkeitsanalyse
Die Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf Umwelt und Gesellschaft
Die Inside-Out-Perspektive beschreibt den Abschnitt der Wesentlichkeitsanalyse, in dem ein Unternehmen seine eigenen Aktivitäten und die entlang seiner Wertschöpfungskette hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesellschaft und die Wirtschaft bewertet. Hier sind die Schritte der Inside-Out-Perspektive:
Ein Beispiel: Ein Lebensmittelhersteller analysiert seinen Wasserverbrauch und stellt fest, dass seine Produktion in einer Region mit Wasserknappheit angesiedelt ist. Die Entnahme großer Wassermengen verschärft die Lage für die lokale Bevölkerung und die Landwirtschaft. Um seine negativen Auswirkungen zu minimieren, investiert das Unternehmen in wassersparende Technologien und arbeitet mit lokalen Behörden zusammen, um nachhaltige Wasserbewirtschaftungsprogramme zu fördern.
Inside-Out Perspektive, Schritt 1: Identifikation der relevanten Themen
Unternehmen sind angehalten, alle relevanten Nachhaltigkeitsthemen zu identifizieren, die wesentliche Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft haben können. Dabei werden ökologische, soziale und Governance-Themen (ESG-Themen) berücksichtigt.
Um diese Themen zu erfassen, arbeiten Unternehmen oft mit internen Nachhaltigkeitsexperten oder externen Beratern zusammen. Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) bietet eine gute Orientierung und liefert mit der AR 16 eine beispielhafte Themenliste, die als Ausgangspunkt für unternehmensspezifische Analysen genutzt werden kann.
Die AR 16 gliedert sich in drei Ebenen: Themen, Unterthemen und Unter-Unterthemen. Wenn Unternehmen alle Themen umfassend abdecken, können schnell bis zu 90 relevante Aspekte entstehen. Dies führt zu einem hohen Aufwand bei der Analyse und Kommunikation. Zudem ist die AR 16 nicht für jede Branche maßgeschneidert.
Daher empfiehlt es sich, basierend auf dieser Vorlage eine individuelle Liste zu erstellen, die die spezifischen Anforderungen und Besonderheiten des Unternehmens berücksichtigt. Wichtig ist, dass der Auswahlprozess transparent und nachvollziehbar dokumentiert wird.
Inside-Out Perspektive, Schritt2: Bewertung der Auswirkungen
Aus der Wirkungsperspektive betrachtet, gilt ein Nachhaltigkeitsthema als wesentlich, wenn sich ihm relevante Auswirkungen des Unternehmens auf Menschen oder die Umwelt zuordnen lassen (Bsp Wasserverbrauch durch Bewässerung eigener Anbauflächen verschärft Wasserknappheit signifikant -> Wasser ist wesentlich). Dies kann tatsächliche oder potenzielle, positive oder negative, kurz-, mittel- oder langfristige Effekte auf das Unternehmen beinhalten.
Um die Bedeutung der Auswirkungen zu bewerten, müssen geeignete quantitative und qualitative Kriterien verwendet werden, um die Auswirkungen zu bewerten.
Die Kriterien für die Wesentlichkeitsbewertung sind im Standard ESRS 1 festgelegt. Dieser erklärt jedoch nicht genau, wie Schwellenwerte zur Bestimmung der Wesentlichkeit festgelegt werden.
Deshalb bietet EFRAG eine Anleitung, wie man wesentliche Themen durch Sorgfaltspflichten und anhand der Größe, Reichweite, Unumkehrbarkeit sowie Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Themas bestimmt. Diese methodischen Elemente helfen dabei, die „wesentlichen Auswirkungen“ gemäß den ESRS zu identifizieren.
Lassen Sie uns ein paar Begriffe klären:
Der Schweregrad (engl. „severity“) wird bei negativen Auswirkungen durch das Ausmaß, den Umfang und die Unumkehrbarkeit bestimmt, bei positiven Auswirkungen hingegen nur durch das Ausmaß und den Umfang.
- Ausmaß beschreibt, wie gravierend eine Auswirkung ist.
- Umfang bezieht sich auf die geografische Reichweite, die Frequenz der Ereignisse und/oder die Anzahl der betroffenen Menschen.
- Unumkehrbarkeit gilt ausschließlich für negative Auswirkungen und beschreibt die Möglichkeit, die Situation der betroffenen Personen oder Orte nach dem Eintritt der Auswirkung wieder zu verbessern.
Bei der Bewertung von Ausmaß, Umfang und Unumkehrbarkeit bietet sich die Anwendung einer 5-er Skala an, wie sie auch die EFRAG vorschlägt. Unumkehrbarkeit ist häufit eine Funktion von Ausmaß und Umfang. Denn je größer die Auswirkung in Bezug auf Größe und Reichweite ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie leicht rückgängig gemacht werden kann.
Die Auswirkungen sollten möglichst konkret beschrieben werden. Das schließt auch ein, dass festgelegt wird, ob es sich um tatsächliche oder potenzielle Auswirkungen handelt, wo in der Wertschöpfungskette sie auftreten (können) und innerhalb welches Zeitraums.
So kann die Liste der Auswirkungen Ihres Unternehmens auf die Umwelt z.B. sowohl heutige tatsächliche Auswirkungen durch Ihre eigenen Produktionsaktivitäten als auch mögliche künftige Auswirkungen durch die Nutzung Ihrer Produkte durch Ihre Kunden beinhalten.
Weder ESRS noch EFRAG geben Ihnen Stand heute Auswirkungen vor, aus denen Sie die für Ihr Unternehmen relevanten auswählen könnten.
Um Aussagen über die Wesentlichkeit einzelner Aspekte treffen zu können, sollten Sie alle Auswirkungen mit Bezug zu diesen Aspekten gemeinsam betrachten. Wie Sie dabei vorgehen und entlang welcher Methodik sie die Wesentlichkeit einzelner Auswirkungen sowie die Wesentlichkeit der „darüberliegenden“ Aspekte festlegen, müssen Sie dokumentieren.
Inside-Out Perspektive, Schritt3: Dokumentation und Berichterstattung
Unternehmen müssen ihre Ergebnisse transparent machen. Dies geschah bisher oft im Rahmen von Nachhaltigkeitsberichten (z.B. nach GRI), in denen die wesentlichen Umweltauswirkungen, sozialen Einflüsse und Governance-Risiken beschrieben werden. Im Zuge der CSRD werden diese Nachhaltigkeitsberichte stärker standardisiert, maschinenlesbar und zum verpflichtenden Bestandteil des Jahresabschlusses.
Der abschließende Schritt der Inside-Out Analyse besteht in der gründlichen Dokumentation der Ergebnisse. Eine klare und nachvollziehbare Darstellung ist unerlässlich für die Berichterstattung sowie fundierte interne Entscheidungen.
Wesentliche Punkte, die dokumentiert werden sollten:
- Die angewandte Methodik
- Identifizierte Nachhaltigkeitsthemen (auch: Aspekteliste)
- Überblick aller betrachteten wirtschaftlichen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette
- Definition der Zeithorizonte (kurze, mittlere und lange Frist)
- Negative und positive Auswirkungen je Aspekt entlang der gesamten Wertschöpfungskette
- Zeithorizont und Wahrscheinlichkeit je Auswirkung
- Bewertung der positiven und negativen Auswirkugnen
- Quellen der Analyse
- Einbindung der Stakeholderperspektiven
- Wesentlichkeitsaussagen zu den Aspekten
Für die Ableitung von Offenlegungsanforderungen und Datenpunkten bieten ESRS und EFRAG eine wichtige Orientierung. Je besser Ihre Inside-Out-Analyse durchgeführt worden ist, desto leichter wird es Ihnen fallen, relevante Reportinginhalte von aufwendigen unnötigen bürokratischen Pflichten zu unterscheiden – und das Weglassen der letzteren auch zu verargumentieren.
Zusammenfassend: mit der Inside-Out-Analyse erfassen Sie systematisch die positiven und negativen Auswirkungen Ihres Unternehmens. Die Ergebnisse sind unabdingbar für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten und für die strategische Positionierung des Unternehmens.