Dieser Artikel beschreibt einen pragmatischen Weg, im Rahmen der doppelten Materialität systematisch relevante Datenpunkte für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu identifizieren.
Der Pfad führt vom Scoping der wesentlichen Themen zur Bewertung der Aspekteliste, Chancen und Risiken bis hin zur Ermittlung von Offenlegungspflichten und Datenpunkten für die Berichterstattung.
Der Artikel richtet sich an Entscheider und Fachkräfte in Unternehmen des Mittelstands, die mit der CSRD Berichterstattung betraut sind.
Lesedauer: 5 min
Wie gewinne ich IROs und Datenpunkte für die Doppelte Materialitätsanalyse?
Die doppelte Materialitätsanalyse nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verlangt die systematische Bewertung von IROs (Auswirkungen, Risiken und Chancen) und die Ableitung von Datenpunkten für die Berichterstattung.
Die allenthalben zu Rate gezogenen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) liefern jedoch allenfalls eine Themenliste, nicht jedoch konkrete IROs.
Wir möchten Ihnen zeigen, wie sie auf pragmatische Weise, IROs gewinnen können.
Begriffsklärung: Doppelte Materialität, IROs, Datenpunkte
Doppelte Materialität ist ein Konzept in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, das zwei Perspektiven vereint:
1. Finanzielle Materialität, engl. financial materiality – wie Nachhaltigkeitsthemen das Unternehmen beeinflussen. Auch Outside-In Perspektive genannt.
2. Umwelt- und soziale Materialität, engl. impact materiality – wie das Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft einwirkt. Auch Inside-Out Perspektive genannt.
Diese ganzheitliche Betrachtung stellt sicher, dass sowohl finanzielle als auch gesellschaftliche und Umweltauswirkungen berücksichtigt werden.
Das Prinzip der Doppelten Wesentlichkeit ist gleichbedeutend mit der Doppelten Materialität.
IROs stehen für Impacts, Risks, and Opportunities und beschreiben Auswirkungen, die ein Unternehmen auf die Umwelt und Gesellschaft hat, sowie Risken und Chancen, die sich aus Nachhaltigkeitssicht für das Unternehmen ergeben. Die Erhebung und Bewertung dieser Aspekte ist zentraler Bestandteil der Doppelten Materialitätsanalyse.
Datenpunkte sind spezifische, messbare Informationen, die zur Erfassung und Bewertung von Nachhaltigkeitsleistungen genutzt werden. Sie liefern die Grundlage für den Bericht, indem sie klare Kennzahlen und Nachweise für die Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen und -vorgaben bereitstellen. Für den Kontext der ESRS liefert EFRAG eine Liste von über 1000 Datenpunkten entlang der einzelnen Offenlegungsanforderungen der ESRS.
Scoping: Der Startpunkt der Doppelten Materialitätsanalyse
Der erste Schritt der Doppelten Materialitätsanalyse ist das Scoping, bei dem der Unternehmenskontext genau definiert wird. Dabei gilt es, die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten, um ein umfassendes Verständnis der Unternehmensaktivitäten zu erhalten.
Der Anhang AR 16 der ESRS dient als Leitfaden, um die grundlegenden Themen zu identifizieren. Diese Themen sollten jedoch an die spezifischen Bedingungen und Besonderheiten des Unternehmens angepasst werden, um eine präzise und aussagekräftige Analyse zu gewährleisten.
Es ist prinzipiell möglich, die Wesentlich entlang aller AR16 (Unter)Unter-Themen durchzuführen. Das ist jedoch aufwändig und führt zu weniger zugespitzten Ergebnissen.
Ebenfalls Teil des Scoping ist die Identifikation der Stakeholder. Dazu gehören Kunden, Lieferanten, Investoren und die lokale Gemeinschaft, deren Erwartungen und Anforderungen bei der Analyse berücksichtigt werden müssen.
Diese Stakeholder-Einbindung hilft, die relevanten Themen für eine IRO-Analyse präzise zu identifizieren und damit später nichts in der Berichterstattung zu vergessen.
Bewertung: Identifizierung der wesentlichen Aspekte
Im ersten Schritt geht es darum, Impacts, Risks, and Opportunities (IROs) für alle relevanten Aspekte auf der Themenliste zu sammeln. Dabei wird untersucht, wie sich jedes Thema auf das Unternehmen auswirken könnte – sowohl positiv als auch negativ. Ziel ist es, Chancen und Risiken zu erfassen, um eine fundierte Grundlage für die Bewertung der wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen zu schaffen.
Die folgende Struktur zeigt, wie Aspekte der Themenlist und IROs zusammenhängen:
Aspekt der Themenliste
- IRO 1
- IRO 2
- IRO 3
Nachdem die IROs gesammelt wurden, müssen sie bewertet werden, um ihre Bedeutung zu bestimmen. Hierbei werden folgende Faktoren berücksichtigt:
- Das Ausmaß, die Tragweite und die Unumkehrbarkeit bei den Auswirkungen (Impacts).
- Die Schwere der Auswirkungen (Magnitude) bei den Risiken und Chancen (ROs).
- Alle Bewertungen werden jeweils mit einer Wahrscheinlichkeit (Likelihood) des Auftretens gewichtet.
Das Bild zeigt die Bewertungsansätze für die IROs, getrennt nach Impact Bewertung und Risiko- und Chancenbewertung.
Beispiel für IROs
ESRS-Thema:
„E1: Klimawandel, Anpassung an den Klimawandel.“
Ein zugehöriges IRO könnte lauten:
„Finanzielles Risiko, da Arbeitszeiten aufgrund von Extremwetterlagen (Hitze, Starkregen etc.) geändert oder verkürzt werden müssen und somit der reibungslose Ablauf der Arbeitsprozesse gefährdet wird,[was zu Umsatzeinbußen führen kann].“
Auf Basis der bewerteten IROs wird die Materialität / Wesentlichkeit jedes Aspekts bestimmt. Dies bedeutet, dass die Ergebnisse aus den Chancen- und Risikobewertungen genutzt werden, um zu entscheiden, welche Themen als besonders relevant für das Unternehmen gelten. Dadurch lassen sich klare Prioritäten setzen, die später in der Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgegriffen werden können.
Berichterstattung: Daten und Offenlegungspflichten
Eine präzise und transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung beginnt mit der Ableitung von Offenlegungspflichten aus der Wesentlichkeitsanalyse. Diese Analyse dient dazu, die relevanten Themen des Unternehmens festzulegen.
Sobald die wesentlichen Themen bestimmt sind, werden sie durch das AR 16 Mapping mit spezifischen Offenlegungsanforderungen verbunden. Dieses Mapping hilft dabei, eine Brücke zwischen den identifizierten Nachhaltigkeitsaspekten und den gesetzlichen Anforderungen zu schlagen. Hierbei werden nur die als “materiell” eingestuften Themen betrachtet – also jene, die eine bedeutende Auswirkung auf die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens haben.
Zusätzlich gibt es eine Gruppe allgemeiner Offenlegungsanforderungen, die unabhängig vom Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse berichtet werden müssen.
Nach dem Mapping gilt es zu beurteilen, ob die identifizierten IROs (Impacts, Risks, and Opportunities) tatsächlich zu den bestehenden Offenlegungsanforderungen passen. Ein gutes IRO Assessment ermöglicht also den Ausschluss irrelevanter Offenlegungsanforderungen und damit die Erstellung eines fokussierten, aussagekräftigen und weniger bürokratischen Berichts.
Doch es gibt weiteren Spielraum, um den Berichtsumfang sinnvoll und begründbar zuzuspitzen. Hinter jeder Offenlegungsanforderung liegen Datenpunkte. Diese Datenpunkte spielen eine zentrale Rolle, da sie konkrete, messbare Informationen liefern, die in der Berichterstattung verwendet werden. Für jede Offenlegungsanforderung werden spezifische Datenpunkte benötigt, um die gesetzten Ziele, Maßnahmen und Policies zu belegen sowie Leistungskennzahlen zu berichten.
Auch bei den Datenpunkten wird genau überprüft, ob sie in Verbindung mit den IROs stehen. Falls ein Datenpunkt nicht relevant ist oder keinen Bezug zu den wesentlichen Themen hat, kann dieser ebenfalls ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass auch für relevante Offenlegungsanforderungen nicht alle dahinterliegenden Datenpunkte berichtet werden müssen. Dies sorgt dafür, dass die Berichterstattung effizient bleibt und sich auf das Wesentliche konzentriert.
Manchmal gibt es auch technische Gründe, bestimmte Datenpunkte auszuschließen, selbst wenn sie theoretisch relevant erscheinen. Dies kann der Fall sein, wenn es sich um freiwillige Angaben handelt, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, oder wenn sie erst in den kommenden Jahren verpflichtend werden.
Dieser Ansatz ermöglicht es Unternehmen, ihre Berichterstattung zunächst stark zuzuspitzen und dann schrittweise zu erweitern und an die Anforderungen anzupassen, ohne von Beginn an alle Datenpunkte abzudecken.
Der strukturierte Prozess stellt sicher, dass die Berichterstattung nicht nur den gesetzlichen Anforderungen entspricht, sondern auch wirklich aussagekräftige und relevante Informationen liefert. Es geht darum, klare Prioritäten zu setzen, die Ressourcen effizient zu nutzen und gleichzeitig den Anforderungen der Nachhaltigkeitsstrategie gerecht zu werden. So bleibt die Berichterstattung fokussiert und vermeidet unnötige Datenflut.
Fazit: Die Doppelte Materialität als Schlüssel zur präzisen Berichterstattung
Die Erstellung eines fundierten Nachhaltigkeitsberichts durchläuft mehrere wichtige Schritte, die in diesem Artikel detailliert beschrieben wurden. Der Prozess beginnt mit der Themenauswahl, gefolgt von einer präzisen Bewertung der IROs und endet mit der Auswahl von Datenpunkten und die Berichterstattung über die gewonnenen Datenpunkte.
Eine gut durchgeführte Wesentlichkeitsanalyse bietet langfristige Vorteile, da sie den Fokus auf die wichtigsten Themen legt und sicherstellt, dass alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden. Für das Management ist dies besonders relevant, da die präzise Auswahl der Nachhaltigkeitsthemen Risiken minimiert und Chancen nutzt, um das Unternehmen strategisch besser aufzustellen.
Zusammengefasst liefert dieser strukturierte Ansatz Unternehmen eine klare Richtung, wie Nachhaltigkeitsdaten erhoben, bewertet und sinnvoll berichtet werden können. Dies stärkt nicht nur die Glaubwürdigkeit des Unternehmens, sondern legt auch den Grundstein für eine nachhaltige und zukunftssichere Unternehmensentwicklung.