Die EU-Taxonomie einfach erklärt

Inhalt

Die EU-Taxonomie ist eine Verordnung der Europäischen Union, die festlegt, welche wirtschaft­lichen Aktivitäten als „nachhaltig“ gelten. Ihr Ziel ist es u.a., die EU auf dem Weg zur Klima­neutralität bis 2050 zu unter­stützen – ein Kernziel des European Green Deals.

Dieser Artikel beleuchtet die Hinter­gründe, den aktuellen Stand und die Heraus­forderung­en im Zusammen­hang mit der EU Taxonomie.

Lesedauer: 7 Min.

Was ist der European Green Deal?

Der European Green Deal ist ein Plan der Europäischen Union, um Europa bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Dafür sollen Emissionen drastisch reduziert, erneuerbare Energien ausgebaut und Ressourcen effizienter genutzt werden. Ziel ist es, wirtschaftliches Wachstum vom Verbrauch natürlicher Ressourcen zu entkoppeln und gleichzeitig soziale Gerechtigkeit zu sichern. Der Wandel wird durch umfangreiche Investitionen und gesetzliche Maßnahmen in Bereichen wie Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Industrie unterstützt.

Hintergrund der EU-Taxonomie

In der Vergang­enheit war „Nachhaltigkeit“ oft ein schwammiger Begriff. Es fehlten klare Standards, was als nachhaltig gilt und welche Investitionen wirklich einen positiven ökologischen Effekt haben. Dies führte zu Unsich­erheiten auf den Finanz­märkten und öffnete die Tür für Greenwashing.

Was ist Greenwashing?

Greenwashing ist der Versuch von Unternehmen, sich durch irreführende oder unbegründete Behauptungen als umweltfreundlich oder nachhaltig darzustellen. Dabei werden ökologische Aspekte betont, die tatsächlich wenig oder keinen positiven Einfluss auf die Umwelt haben, um das öffentliche Image zu verbessern und Verbraucher oder Investoren zu täuschen.

Die EU-Taxonomie wurde entwickelt, um:

  1. Klarheit zu schaffen: Einheitliche Standards sorgen für Vergleich­barkeit und Transparenz.
  2. Greenwashing zu verhindern: Nur Aktivitäten, die bestimmte Kriterien erfüllen, gelten als nachhaltig.
  3. Investitionen zu lenken: Kapital soll gezielt in Projekte fließen, die den Übergang zu einer klima­freundlichen Wirtschaft unterstützen.

Die Vorbe­reitung­en für die EU-Taxonomie begannen im Jahr 2018, mit dem Aktions­plan für nachhaltiges Wachstum und der Gründung der Technischen Expertengruppe (TEG).

Was ist die Technische Expertengruppe?

Die TEG (Technical Expert Group on Sustainable Finance) ist eine technische Expertengruppe, die von der Europäischen Kommission eingerichtet wurde, um zentrale Leitlinien für die EU-Taxonomie und weiterer nachhaltiger Finanzinstrumente zu erarbeiten. Die TEG spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der ersten Fassung der EU-Taxonomie und legte die Grundlagen für deren Anwendung.

Nach der politischen Einigung 2019 wurde 2020 die EU-Taxonomie-Verordnung verabschiedet. 2021 folgte die Ver­öffent­lichung der technischen Kriterien für Klima­schutz und Klima­anpassung, die 2022 in Kraft traten. 2023 wurden die Kriterien auf vier weitere Umwelt­ziele ausgeweitet. Ab 2024 sind Unter­nehmen verpflichtet, über alle sechs Umwelt­ziele zu berichten, unterstützt durch die erweiterten Angabe­pflichten der CSRD. In unserem Artikel EFRAG, ESRS & CSRD: Was ist was in Sachen Nachhaltigkeit? finden Sie mehr Informa­tionen zu den Angabe­pflichten der CSRD.

Die drei Kern­prinzipien der EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie basiert auf drei Haupt­prinzipien, die für jede wirtschaft­liche Aktivität geprüft werden müssen.

I: Substanzieller Beitrag zu einem Umwelt­ziel

Eine wirtschaft­liche Aktivität gilt als nachhaltig, wenn sie wesentlich zu mindestens einem der folgenden sechs Umwelt­ziele beiträgt:

  1. Klimaschutz: Redu­zierung von Treibhaus­gasen (z. B. erneuerbare Energien oder Energie­effizienz­maßnahmen).
  2. Anpassung an den Klima­wandel: Verbesserung der Widerstands­fähigkeit gegenüber klimatischen Veränderungen (z. B. Hochwasser­schutz).
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeres­ressourcen: Effiziente Wasser­nutzung, Vermeidung von Ver­schmutzung.
  4. Übergang zu einer Kreislauf­wirtschaft: Förderung von Recycling, Ressourcen­effizienz und Abfall­vermeidung.
  5. Vermeidung und Kontrolle von Umwelt­verschmutzung: Reduzierung von Schad­stoffen und giftigen Materialien.
  6. Schutz und Wieder­herstellung von Bio­diversität und Öko­systemen: Erhalt natürlicher Lebens­räume und Arten­vielfalt.

II: Kein signifikanter Schaden

Aktivitäten, die zu einem Umweltziel beitragen, dürfen gleichzeitig keine erheblichen Schäden an anderen Umwelt­zielen verursachen. So sollte beispielsweise der Bau eines Wind­parks nicht auf Kosten von Öko­systemen oder dem Lebens­raum gefährdeter Arten erfolgen.

III: Einhaltung sozialer Mindest­standards

Neben ökologischen Kriterien fordert die EU-Taxonomie, dass Unternehmen soziale Mindestst­andards einhalten. Diese sollen sicherstellen, dass wirtschaftliche Aktivitäten nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern auch sozial verantwortungsvoll sind. Zu den zentralen Standards gehören:

  • Die UN-Menschhen­rechts­prinzipien
  • OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen
  • EU-Gesetze
Hauptprinzipien der EU-Taxonomie

Berichts­pflichten und betroffene Unter­nehmen

Mit der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im Jahr 2024 wurden die Berichts­pflichten der EU-Taxonomie erheblich ausgeweitet. Betroffen sind folgende Gruppen:

  1. Große Unternehmen: Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeiter, eine Bilanz­summe über 20 Millionen Euro oder einen Netto­umsatz über 40 Millionen Euro.
  2. Kapital­markt­orientierte Unternehmen: Unternehmen, die kapital­markt­orientiert sind und mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeiter, eine Bilanz­summe über 20 Millionen Euro oder einen Netto­umsatz über 40 Millionen Euro.
  3. Finanz­markt­teilnehmer: Banken, Fonds, Versicherungen und andere Anbieter von Finanz­produkten.
  4. Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs): KMUs sind meist nicht direkt berichts­pflichtig, außer sie sind börsen­notiert. Dennoch können sie durch indirekte Anfor­derungen betroffen sein, etwa wenn sie Teil der Liefer­kette großer Unternehmen sind und Nachweise über ihre Nachhaltigkeits­praktiken erbringen müssen. Auch bei Finanzierungen wie grünen Anleihen oder Förderungen können Anforderungen an die Taxonomie­konformität relevant sein. Ab 2026 sind börsen­notierte KMUs im Rahmen der CSRD ebenfalls berichts­pflichtig.
  5. Unternehmen außerhalb der EU: Unternehmen aus Dritt­staaten, die in der EU tätig sind, sind berichts­pflichtig, wenn sie einen Netto­umsatz von mehr als 150 Millionen Euro in der EU erzielen und eine Tochter­gesellschaft oder Nieder­lassung in der EU haben.

Durch politische Änderungen wie die Omnibus-Richtlinie gelten jedoch mittlerweile andere Pflichten und Schwellen­werte, die mittel­ständische Unternehmen entlasten. Mehr dazu finden Sie in unserem Artikel: Omnibus: CSRD, CSDDD, EU Taxonomie und CBAM

Anwendung der EU-Taxonomie

Sie haben geprüft und festgestellt: Ihr Unternehmen ist berichts­pflichtig. Und was nun? Jetzt gilt es, die Anforderungen der EU-Taxonomie umzusetzen. Mit einem klaren Fahr­plan und den fünf Schritten der Technischen Experten­gruppe (TEG) können Sie Ihre Aktivitäten bewerten, die Konformität überprüfen und die nötigen Berichte erstellen. Schritt für Schritt zur taxonomie­konformen Bericht­erstattung – so gelingt der Einstieg!

Die fünf Schritte zur Anwendung der EU Taxonomie

  1. Identifikation Aktivitäten

    Der erste Schritt zur Anwendung der EU-Taxonomie ist die Identifikation der taxonomiefähigen Aktivitäten. Hier müssen Unternehmen überprüfen, welche ihrer Aktivitäten oder Finanzprodukte unter die Taxonomie fallen oder förderfähig sind. Auch Unternehmen ohne oder mit wenigen taxonomierelevanten Aktivitäten sind zur regelmäßigen Berichterstattung verpflichtet, sofern sie unter die Berichtspflicht fallen. Das gilt auch, wenn sie davon ausgehen können, dass das Ergebnis ihnen wenig bringt.

  2. Wirkungsbereich

    In Schritt zwei wird jede Aktivität daraufhin bewertet, ob sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele leistet. Zum Beispiel kann eine Stromerzeugungsaktivität als nachhaltig eingestuft werden, wenn die CO₂-Emissionen unter 100g CO₂/kWh liegen. Diese Aktivität gilt dann als taxonomiekonform. Hierbei werden die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie herangezogen.

  3. Signifikante Schäden

    In Schritt drei müssen Unternehmen sicherstellen, dass ihre Aktivitäten keine signifikanten Schäden (DNSH: Do No Significant Harm) an anderen Umweltzielen verursachen.

  4. Soziale Mindeststandards

    Im vierten Schritt müssen Unternehmen überprüfen, ob ihre Aktivitäten soziale Mindeststandards einhalten. Dazu gehören die Vorgaben aus der Taxonomie-Verordnung (Artikel 13), wie Arbeits- und Menschenrechte, basierend auf internationalen Rahmenwerken wie den UN-Leitprinzipien oder den OECD-Richtlinien.

  5. Berechnung taxonomiekonforme Aktivitäten

    Im letzten Schritt berechnen Unternehmen den Anteil ihrer Aktivitäten, die taxonomiekonform sind. Die EU-Taxonomie fordert dabei, drei zentrale Kennzahlen (KPIs) offenzulegen.

Die drei zentralen Kennzahlen sind:

  1. Umsatzanteil: Wie viel Prozent des Nettoumsatzes stammen aus taxonomie­konformen Aktivitäten?
  2. CapEx: Welcher Anteil der Investitionen fließt in taxonomie­konforme Projekte?
  3. OpEx: Welcher Anteil der Betriebs­ausgaben dient der Unterstützung taxonomie­konformer Tätigkeiten?
Für was steht CapEx?

Capital Expenditures bezeichnet Investitionsausgaben, die für den Erwerb, die Verbesserung oder den Erhalt langfristiger Vermögenswerte wie Gebäude, Maschinen oder Anlagen verwendet werden. Diese Ausgaben dienen dazu, den Betrieb des Unternehmens langfristig zu unterstützen oder zu erweitern. Beispiele sind der Bau einer Solaranlage oder die Anschaffung energieeffizienter Geräte.

Für was steht OpEx?

Operating Expenditures steht für Betriebsausgaben, die im Rahmen des täglichen Betriebs eines Unternehmens anfallen. Dazu zählen Ausgaben für Wartung, Energie, Rohstoffe, Personal oder Mietkosten. Ein Beispiel ist die Wartung bestehender Anlagen, die bereits taxonomiekonform sind.

Zusätzlich zu den drei KPIs müssen Unternehmen qualitative Informationen offenlegen, darunter die angewendeten Rechnungslegungsgrundsätze, die Bewertung der Taxonomiekonformität ihrer Aktivitäten und Kontextinformationen zu Umsatz-, CapEx- und OpEx-Kennzahlen.

Chancen und Herausforderungen der EU Taxonomie

Ein hoher Anteil taxonomiekonformer Aktivitäten kann für Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen. Banken und Investoren bevorzugen zunehmend Projekte, die als nachhaltig klassifiziert werden, da sie regulatorisch begünstigt sind – etwa durch geringere Eigenkapitalanforderungen bei Finanzierungen. Zusätzlich werden solche Projekte durch verschiedene Fördermaßnahmen der EU unterstützt, was sie finanziell attraktiver macht.

Gleichzeitig steht die EU-Taxonomie massiv in der Kritik. Ursprünglich als Instrument zur Vermeidung von Greenwashing eingeführt, wird sie mittlerweile selbst als Türöffner für ebensolches bezeichnet. Umweltorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe, der WWF oder das Umweltbundesamt kritisieren scharf, dass etwa Erdgas und Atomkraft trotz ihrer erheblichen Umweltfolgen als „nachhaltige“ Wirtschaftsaktivitäten klassifiziert wurden. Auch zahlreiche weitere Sektoren und Maßnahmen, die mit echter ökologischer Transformation wenig zu tun haben, wurden in die Taxonomie aufgenommen. Ein Factsheet des Umweltbundesamtes spricht in diesem Zusammenhang von einem „Widerspruch zum eigentlichen Ziel der Taxonomie“ – der transparenten und glaubwürdigen Förderung wirklich nachhaltiger Investitionen. Die Verwässerung des Nachhaltigkeitsbegriffs durch politische Kompromisse stellt somit eine zentrale Herausforderung dar – sowohl für die Glaubwürdigkeit des Instruments als auch für Unternehmen, die tatsächlich nachhaltig wirtschaften wollen.

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