Die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa steht vor einem Paradigmenwechsel. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und ihrer Umsetzung in nationales Recht rücken transparente und standardisierte Nachhaltigkeitsberichte in den Fokus. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe, den aktuellen Stand und die Herausforderungen im Zusammenhang mit der CSRD und dem CSRD-Umsetzungsgesetz.
Lesedauer: 7 Min.
1. Einführung: CSRD und ihre Bedeutung für Unternehmen
1.1 Hintergrund und EU-Nachhaltigkeitsziele
Die CSRD ist ein zentraler Bestandteil des europäischen Green Deals und zielt darauf ab, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Unternehmensberichterstattung zu etablieren. Durch standardisierte Vorgaben soll Transparenz geschaffen und Unternehmen zu verantwortungsbewusstem Handeln motiviert werden. Die CSRD ersetzt die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und erweitert deren Anwendungsbereich deutlich. Unternehmen müssen nicht nur Umwelt- und Sozialaspekte berücksichtigen, sondern auch deren Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und Wertschöpfung analysieren. Mehr zur CSRD können Sie in unserem Artikel CSRD, EFRAG, ESRS: Was ist was bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung lesen.
1.2 Bedeutung der CSRD für deutsche Unternehmen
Für deutsche Unternehmen bringt die CSRD erhebliche Veränderungen mit sich. Ursprünglich lag der Fokus erstmals nicht nur auf großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen, sondern auch auf zahlreichen mittelständischen und kleinen Unternehmen, die bislang keine Nachhaltigkeitsberichte vorlegen mussten.
Durch die jüngsten Änderungen im Rahmen der CSRD-Omnibus-Verordnung hat sich dies jedoch wieder deutlich verschoben: Der Fokus richtet sich nun wieder verstärkt auf größere Unternehmen, da insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen die Fristen verlängert und Berichtspflichten entschärft wurden.
Die CSRD markiert dennoch weiterhin einen Wendepunkt: Nachhaltigkeit wird zunehmend zur verpflichtenden Anforderung und ist nicht mehr lediglich optional. Unternehmen stehen deshalb weiterhin unter Druck, rechtzeitig die notwendigen Strukturen für eine effektive Berichterstattung zu schaffen.
Einen ausführlichen Überblick zur Omnibus-Verordnung und den daraus resultierenden Änderungen finden Sie in unserem Artikel Omnibus: CSRD, CSDDD, EU Taxonomie und CBAM.

2. Das deutsche CSRD Umsetzungsgesetz
2.1 Ursprünglicher Zeitplan und Verzögerungen des CSRD Umsetzungsgesetz
Die CSRD wurde offiziell am 10. November 2022 vom Europäischen Parlament verabschiedet. Der Rat der Europäischen Union stimmte dem Entwurf am 28. November 2022 zu. Die EU Richtlinie trat am 05.01.2023 endgültig in Kraft.
Die EU-Mitgliedstaaten hatten anschließend bis zum 6. Juli 2024 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Diese Frist orientierte sich am ursprünglich geplanten Inkrafttreten der Berichtspflichten für Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2024 (mit der Berichterstattung ab 2025).
2.2 Aktueller Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Der Referentenentwurf des deutschen CSRD Umsetzungsgesetz wurde am 22. März 2024 veröffentlicht, der Regierungsentwurf folgte am 24. Juli 2024, jedoch wurde der Entwurf vor der Bundestagswahl im Februar 2025 nicht verabschiedet. Das Gesetzgebungsverfahren muss nun im neuen Bundestag erneut aufgenommen werden. Damit hat Deutschland die Frist zur Umsetzung verpasst.
3. Auswirkungen auf deutsche Unternehmen
3.1 Betroffene Unternehmen und Zeitplan des CSRD Umsetzungsgesetz
Ursprünglich sollten in Deutschland durch die CSRD schätzungsweise 15.000 Unternehmen berichtspflichtig werden – deutlich mehr als unter der vorherigen NFRD (Non-Financial Reporting Directive).
Besonders für den Mittelstand stellte dies eine erhebliche Herausforderung dar, da viele Unternehmen erstmals mit umfangreichen Nachhaltigkeitsberichtsanforderungen konfrontiert wurden.
Durch die EU-Omnibus-Verordnung, die im Mai 2024 von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde, ist nun eine optionale Verschiebung der Berichtspflicht für bestimmte Unternehmen vorgesehen:
- Nicht kapitalmarktorientierte große Unternehmen können von den Mitgliedstaaten um zwei Jahre später zur Berichterstattung verpflichtet werden.
- Deutschland plant derzeit, diese Option zu nutzen – damit würde für diese Unternehmen die erste CSRD-Berichtspflicht erst für das Geschäftsjahr 2026 gelten (Bericht im Jahr 2027).
Die ursprünglich vorgesehene Staffelung bleibt aber grundsätzlich bestehen – börsennotierte Großunternehmen sind bereits ab Geschäftsjahr 2024 berichtspflichtig (erstmals Bericht in 2025).
3.2 Herausforderungen trotz Rechtsunsicherheit
Die Verzögerung der nationalen Umsetzung der CSRD sowie die derzeit noch unklare finale Gesetzgebung stellen Unternehmen weiterhin vor erhebliche Herausforderungen. Die wichtigsten Schwierigkeiten sind dabei:
- Unklarer Umfang der Berichtspflichten: Unternehmen fällt es aktuell schwer, spezifische Anforderungen klar zu identifizieren, was die gezielte Vorbereitung erschwert.
- Investitionsrisiken: Langfristige Maßnahmen wie die Implementierung von Softwarelösungen oder der Aufbau neuer Prozesse innerhalb der Organisation werden hinausgezögert. Unternehmen sehen ein Risiko, dass später Anpassungen erforderlich werden könnten, wenn die endgültige gesetzliche Regelung verabschiedet ist. Zugleich bleibt es eine Tatsache, dass der Aufbau eines nachhaltigen Berichtswesens Zeit benötigt und nicht kurzfristig nachgeholt werden kann.
- Rechtsunsicherheit: Die fehlende nationale Gesetzgebung erschwert eine rechtssichere Umsetzung der Berichtspflichten und reduziert zugleich kurzfristig das unmittelbare Risiko potenzieller Strafen, erhöht aber langfristig die Unsicherheit für Unternehmen erheblich.
4. Ohne CSRD-Umsetzungsgesetz: Was das für Deutschland als Wirtschaftsstandort bedeutet
Die Europäische Kommission hat am 26. September 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, da die CSRD nicht fristgerecht in nationales Recht umgesetzt wurde.
Neben Deutschland sind 8 weitere EU-Mitgliedstaaten betroffen, darunter Österreich, die Niederlande und Spanien. Die betroffenen Staaten hatten darauf hin zwei Monate Zeit, um auf das Aufforderungsschreiben der Kommission zu antworten und die Umsetzung abzuschließen. Erfolgt dies nicht, kann die Kommission eine begründete Stellungnahme abgeben und letztlich den Europäischen Gerichtshof berufen. Die Zwei-Monats-Frist des Vertragsverletzungsverfahrens wegen verspäteter CSRD-Umsetzung ist längst abgelaufen; aktuell liegen jedoch noch keine öffentlichen Informationen vor, ob die EU-Kommission bereits weitere rechtliche Schritte eingeleitet hat.
4.1 Vorstoß zur Vereinfachung der CSRD durch die deutsche Regierung im Dezember 2024
Die aktuelle politische und wirtschaftliche Unsicherheit hat den Wahlkampf im Februar in Deutschland geprägt. In diesem Kontext richtet sich der Fokus verstärkt auf Bürokratieabbau und wirtschaftliche Entlastung.
So forderte Olaf Scholz in einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Vereinfachung der Berichtspflichten im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive. Ähnliche Forderungen stellten die Minister Robert Habeck, Jörg Kukies, Hubertus Heil und Volker Wissing in einem Schreiben an die EU-Kommission. Sie plädierten für eine Reduktion der Datenerhebung, eine Verschiebung der Berichtspflichten sowie eine vereinfachte Umsetzung, um bürokratische Hürden zu senken und Unternehmen zu entlasten.
Diese Forderungen flossen auch in das sogenannte „Omnibus-Paket I“ der EU-Kommission ein, das am 26. Februar 2025 veröffentlicht wurde. Es enthält Vorschläge zur Vereinfachung und Verschiebung mehrerer Nachhaltigkeitsvorgaben – darunter auch die CSRD – sowie konkrete Anpassungen zu Schwellenwerten und Berichtspflichten. Die neusten Erkenntnisse zum Omnibus können Sie in unserem Artikel Omnibus: CSRD, CSDDD, EU Taxonomie und CBAM nachlesen.
4.2 Internationaler Stand der CSRD Umsetzungsgesetze
Einige EU-Länder haben die CSRD bereits umgesetzt. Vorreiter wie Frankreich und Schweden zeigen, wie klare Regelungen Unternehmen helfen können, sich an die Anforderungen anzupassen. Der Vorstoß der deutschen Regierung, die Berichtspflichten zu entschärfen, wird von diesen EU-Staaten kritisch betrachtet, insbesondere da Deutschland maßgeblich an der Ausarbeitung der Standards beteiligt war.
5. Einordnung und Ausblick
Die weitere Entwicklung hängt maßgeblich von der kommenden Regierung in Deutschland sowie dem angekündigten Überarbeitungsvorschlag der EU Kommission ab.
Die Entlastung der Unternehmen von unverhältnismäßigen Berichtspflichten dürfte vor dem Hintergrund der angespannten Gesamtlage ein Thema für jede mögliche Regierungskoalition in Deutschland sein. Die Frage, wie diese Entlastung aussieht, und wo Unverhältnismäßigkeit beginnt, dürfte von den Parteien aber unterschiedlich beantwortet werden.
Auch die Frage, ob und inwieweit Deutschland auf eine Revision bestehenden europäischen Rechts drängt, hängt maßgeblich von der Gestalt der Regierung ab. Dabei bleibt das Thema gesamtpolitisch eine Nische und wird nicht prominent verhandelt. Mögliche Dynamiken sind daher im Vorfeld schwer absehbar.
Es wird spannend, welche Fragen wann geklärt werden. Dazu gehören mögliche Veränderungen bzgl. des WER, WANN, WAS und des WIE.
- Wer muss berichten. Hier könnten z.B. Schwellenwerte verändert werden, ab denen Unternehmen berichtspflichtig werden
- Wann muss berichtet werden. Hier könnten Fristen für einzelne/alle Unternehmensklassen verlängert werden.
- Was muss berichtet werden. Hier könnten verpflichtend zu berichteten Datenpunkte reduziert werden.
- Wie muss erstellt und geprüft werden: Die prozessualen Vorgaben könnten gelockert werden. Das Niveau und der Umfang der Prüfung könnten gelockert werden.
5.1 Was können Unternehmen tun
Die CSRD adressiert einen wichtigen Bedarf. Die Datenlage zu unternehmerischer Nachhaltigkeit muss besser werden, um eine zukunftsfähige Wirtschaft zu gestalten. Das bedeutet: mehr Daten, einheitlichere Daten und mehr Transparenz. Unternehmen sollten ihre eigene Vorstellung haben, was das für sie bedeutet und entsprechend handeln. Die CSRD bietet hier wertvolle Orientierung.
Für den konkreten Umgang mit der Situation müssen Unternehmen individuelle Antworten finden. Dabei sollten mehrere Fragen berücksichtigt werden:
- Das eigene inhaltliche Interesse: Was von dem, das die CSRD heute fordert, möchte ich ohnehin tun bzw. können. Das kann z.B. der Fall sein, dass ohnehin ein Klimatransitionsplan erstellt werden muss. In diesem Fall lohnt sich eine Berücksichtigung der ESRS E1-1 (Übergangsplan für den Klimaschutz).
- Sonstige Anforderungen: Gibt es Gründe, vollständig zu implementieren, auch wenn das deutsche Gesetz nicht greift. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die Muttergesellschaft es verlangt oder signifikante Aktivitäten in einem europäischen Land statt finden, das bereits ein gültiges Umsetzungsgesetz hat.
- Agilität und Risikoaversion: Wie wichtig ist es mir, nicht unter Hochdruck auf ein spät kommendes aber bindendes Gesetz reagieren zu müssen. Risikoaverse Unternehmen werden ihren Prozess durchführen, als gäbe es das Gesetz bereits, andere fühlen sich ggf. wohl mit der Unsicherheit und pausieren.
- Motivation und Orientierung: Die Umsetzung der CSRD betrifft zahlreiche Funktionen innerhalb der Unternehmen. Insbesondere dort, wo der Prozess bereits läuft, kann ein Vor- und Zurück bei der Umsetzung intern Unsicherheit erhöhen und Motivation senken. Eine klare Linie hilft.
Darüber hinaus spielt eine Rolle, wo Unternehmen im Prozess stehen und wie drängend andere ggf. überlebenswichtige Fragestellungen gegenwärtig sind.
6. Fazit: Chancen und Herausforderungen der CSRD-Umsetzung in Deutschland
Die derzeitige Unsicherheit rund um die Umsetzung der CSRD ist nicht grundlos. Nachhaltigkeitsregulierung muss sinnvoll und verhältnismäßig gestaltet sein. Gleichzeitig stellt Unsicherheit eine zusätzliche Belastung in ohnehin bereits unsicheren Zeiten dar. Sowohl Inhalte als auch Prozesse der CSRD könnten sich künftig noch ändern. Unternehmen sollten daher einen klar definierten Prozess entwickeln, um jederzeit handlungsfähig zu bleiben. Inhaltlich empfiehlt sich ein klarer Fokus auf das Sinnvolle sowie eine aktive Vermeidung unnötiger Bürokratie. Diesen inhaltlichen Fokus sicherzustellen, sollte dabei integraler Bestandteil des Prozesses sein.